21. Schleppjagd auf
Schloss Harburg, zum 11. Mal unter der Jagdherrschaft Guggenberger
Hoch oben thront sie
mächtig, die beeindruckende mittelalterliche Burganlage Harburg. Sie
liegt direkt an der Romantischen Straße mitten im Herzen von
Bayerisch-Schwaben und oberhalb der gleichnamigen Stadt Harburg an
der Wörnitz zwischen Donauwörth und Nördlingen.
Nachweislich reicht die
Geschichte der Harburg bis in das Jahr 1150 zurück. Und sie zählt
mit ihrer bewegten Geschichte zu den größten, ältesten und am besten
erhaltenen Burganlagen Süddeutschlands. Seit dem Jahr 2000 ist die
Harburg im Besitz und Eigentum der „Gemeinnützigen Fürst zu
Oettingen-Wallerstein Kulturstiftung“. Zweck dieser Stiftung ist der
Erhalt der einzigartigen Anlage in Gegenwart und Zukunft.
Seit Jahrhunderten sind
Fürsten und Grafen von dieser Burg aus ins Umland auf die Jagd auf
Hirsche, Rehe, Füchse und Hasen gegangen. Was könnte man sich als
begeisterter Jagdreiter also Passenderes vorstellen, als eben hier
eine Schleppjagd zu reiten – zwar nicht mehr auf lebendiges Wild,
dafür folgt heute die Hundemeute dem Scent, also einer künstlich
gelegten Spur.
Denn, wie unser Präsident
Toni Wiedemann, Herz und Motor des SvBs, in seiner wirklich
beeindruckenden Serie: „Schlösser beleben – Geschichte erleben!“
geschrieben hat, soll man „den Sport dahin zurückbringen, wo er
seinen Ursprung hatte!“ Und das ist mit gerade dieser Jagd zu
hundert Prozent gelungen!
Vor 21 Jahren fand die
erste Schleppjagd auf der Burg statt, seit nunmehr 11 Jahren
übernimmt der Vize-Präsident des SvBs, Robert Guggenberger, die
Jagdherrschaft und das damit verbundene Sponsoring; als Schirmherr
steht S. D. Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Angesetzt waren acht
Schleppen mit zehn festen und einer Reihe natürlicher Hindernisse,
anvisierte Rückkehr ca. 15 Uhr. Beides wurde, um es vorweg zu
nehmen, nicht erfüllt: Auf weiten Teilen der siebenten Schleppe
hatte ein Landwirt spontan den wahrgewordenen Alptraum vieler
Pferde, nämlich eine umzäunte Rinderherde, ausgelassen, so dass man
kurzerhand die Jagd trotz aufgebauter Sprünge um diese Schleppe
verkürzen musste. Und um 15 Uhr befand sich die Jagdgesellschaft
noch mitten im Gelände hinterhalb der Harburg.
Noch zwei Tage vor der
Jagd ließen Sissi und Toni die aktuellen politischen
Corona-Rahmenbedingungen zukommen, die den genehmigten Ablauf
vorgaben. Dazu gehörten das Tragen der Mund-Nasen-Masken sowie der
Hinweis auf das Einhalten der 1,5-Meter-Abstände.
Nach dem Eintreffen in
der prachtvollen Burgschenke im Innenhof der Burg, in der der
Eintrag ins Jagdbuch erfolgte, konnte sich jeder Reiter noch mit
einem Glas Sekt und einem Weißwurstfrühstück stärken, selbstredend
freundschaftlich und herzlich begrüßt durch Robert Guggenberger,
seinen Sohn und Roberts Lebensgefährtin Andrea Bauer. Bereits in
diesem imposanten Gewölbe, in dem die Geschichte der Burg durch
verschiedene Wappen und durch diverse Utensilien von allen Wänden
blickt, ertönten die wunderbar-klaren Hörner der Parforce-Horngruppe
„Freischütz Schwaben“ sowie der Chiemgauer Parforcehornbläser mit
dem Nachwuchs der „Bayerischen Jungwölfe“. Die „Jungwölfe“ zeichnen
sich besonders dadurch aus, dass sie eine Trompe-Schule und ein
junges Trompe-Bläser-Ensemble aus der Traunsteiner Region im
Chiemgau sind und sowohl eine gesangliche als auch eine bläserische
Ausbildung genießen.
Nach Begrüßungsansprachen
von Toni Wiedemann, Präsident des SvBs, und vom Jagdherrn Robert
Guggenberger ging es ans Satteln der Pferde und Reindrehen der
Stollen, die für das zu erwartende, oftmals steinige Gelände
durchaus empfehlenswert sind.
Recht steil auf einem
steinernen Pfad stampften die rund dreißig Pferde samt Reitern zum
Stelldichein den schmalen Weg zur Burg hoch – das laute Hufgetrappel
auf dem Pflaster war weit zu hören – erst durch das „Untere Tor“,
anschließend durch das „Innere Tor“, beide früher dazu gedacht,
Feinde abzuhalten und die Burgbewohner zu schützen. Schließlich
erreichten sie, einer hinter dem anderen und vorbei an einer
Greifvogelvoliere, den eindrucksvollen Innenhof, der umgeben von der
Burgmauer, historischen Gebäuden und den imposanten Türmen daliegt.
Bereits ab diesem Zeitpunkt fühlte man sich ins Mittelalter
zurückversetzt.
Nachdem sich die Reiter
auf ihren Pferden und die Equipage mit 15 1/2 Koppeln
Foxhounds in einem Halbkreis versammelt hatten, sprach der Vertreter
der „Gemeinnützigen Fürst zu Oettingen-Wallerstein Kulturstiftung
Vorstand Fritz Hertle als Zeichen der Verbundenheit
ein paar einführende Worte, danach folgte eine kurze Ansprache des
in diesem Mai 2020 frisch gebackenen ersten Bürgermeisters der Stadt
Harburg, Christof Schmidt, und unterstrich seine Freude über das
Stattfinden dieser Veranstaltung. Alle wünschte n der
Jagdgesellschaft viel Freude und eine unfallfreie Jagd.
Robert, sichtlich bewegt
von den beiden Bläsergruppen, die sich rechts und links im Burghof
verteilt hatten und sich nun abwechselnd jagdliche Fanfahren
zuspielten, stand gerührt mit seinem Sohn in der Mitte und ließ
diese wirklich stimmungsvolle Kulisse auf sich wirken.
Nach dem Bügeltrunk, dem
Jagdruf des SvBs: einem dreifachen „Horrido!“ – „Auf die Hunde, Auf
die Pferde! Auf Jagdreiten in Bayern!“ und unter der Begleitung
kräftiger Hornsignale begab sich die gut gelaunte Jagdgesellschaft
auf die Strecke.
Der Jagdherr und seine
Helfer hatten in den letzten Wochen alles perfekt geplant und
vorbereitet, die Streckenführung klug ausgesucht, die Sprünge
einladend aufgebaut und dekoriert.
So führte die erste
Schleppe über die reizvolle Heidelandschaft
hinter der Harburg, ungewohnt für
viele Reiter und Pferde,
weil zwischen dem
hügeligen, kargen Boden immer wieder große Steinplatten liegen. Man
muss seinem Pferd Vertrauen schenken und darauf zählen, dass das
Tier unter einem auch im gestreckten Galopp weiß, wohin es tritt. Am
Ende der Schleppe noch zwei schöne Sprünge, so dass diese
bekanntermaßen nicht zu unterschätzende Jagd gleich zu Beginn zeigt,
dass wir uns mitten in der Jagdsaison befinden.
Die zweite Schleppe
bestand aus wunderbar langen Wiesenpassagen, mal eine Senke nach
unten, dann wieder einen Hügel hinauf, aber letztlich in einem
sportlichen Tempo den Hunden folgend.
Für die Foxhounds waren
das Wetter und die äußeren Umstände nahezu optimal, sie jagten laut
und mit Passion auf der Schleppe, ließen sich kaum beirren und
zeigten durch ihr Geläut dem ihnen folgenden Jagdfeld die Richtung
an. Selbst wenn die Schleppenjäger große Kurven im 180-Grad-Winkel
angelegt hatten, die noch dazu über Sprünge führten, folgten sie dem
Scent engagiert und spurtreu. Der perfekte Trainingszustand der
diszipliniert geführten Meute war nicht zu übersehen!
Die folgenden Schleppen
führten mal durch einen für die Gegend typischen herbstlich bunten
Buchenwald, mal über lange Wiesen, immer wieder mit breiten
Hindernissen unterbrochen, über die die Reiter bzw. ihre Pferde
springen konnten. Am Ende jeder Schleppe ertönten die Hörner der
Bläsergruppen weit über das Land und empfingen so das Jagdfeld.
Die Pause fand
traditionell auf der Lichtung der Waldschänke Eisbrunn inmitten
eines riesigen Buchen- und Mischwaldes statt, diesmal
Corona-sei-Dank nur mit Getränken und ohne Imbiss.
Auch hier spielten
die beiden Bläsergruppen wieder jagdliche Stücke, unter anderem die
Geburtstagsfanfare, die Andrea ihrem Robert in diesem Jahr zum 60.
Geburtstag hatte komponieren lassen.
Danach folgten drei
weitere Schleppen, die die vielfältige Landschaft des Nördlinger
Rieses zeigten, immer hügelig, mal steiler, mal steiniger, selten
länger gerade aus. Besonders erwähnenswert und zum Highlight dieser
Jagd zählt gewiss die Strecke über die sogenannte Wellenbahn, die
wirklich einmalig zu reiten ist. Die Schleppenleger haben diese
Schleppe weit unten angelegt, über eine langgezogene Wiese, einem
Weg folgend, der rasch nach oben führte und schließlich auf
Heideboden endete. Doch damit nicht genug, schien der Boden
anzufangen, sich in wellenförmigen Bewegungen unter den
galoppierenden Pferden zu bewegen, nicht gleichmäßig, kein Sprung
wie der andere. Höchste Konzentration für die Pferde, maximales
Vertrauen vom Reiter – und zum Glück ohne Sprung!
Und dann kam ganz schnell
die letzte Schleppe, noch einmal quer über die hügelige Landschaft
der Alb, dann wirklich steil hinauf, wo die Pferde mit mächtigen
Galoppsprüngen ihre letzten Kräfte aus sich herausholten, bis hinter
der Kuppe „jungfräulich“ (Zitat RG) die beeindruckende Harburg am
Horizont auftauchte. Halali! Halali!
Anschließend ritt die
Jagdgesellschaft wieder zurück zur Burg, um im Innenhof den Hunden
durch das Verteilen des Curées zu danken und die Brüche und den
Jagdknopf in Empfang zu nehmen. Überall blickte man in vor Glück
strahlende Gesichter, beseelt von den Eindrücken dieser gelungenen
Jagd!
Robert Guggenberger
dankte noch einmal ausdrücklich der Huntslady Sissi, die gemeinsam
mit der Equipage die Foxhounds perfekt vorbereitet und optimal
geführt hatte. Außerdem vergaß er auch nicht die Familien Roßmann und Barth zu erwähnen,
die sich liebevoll um die Bewirtung gekümmert hatten, die Landwirte,
die ihren Grund und Boden zur Verfügung gestellt hatten, die Stadt
Harburg, die sich nicht gegen das Stattfinden der Schleppjagd
gestellt hatte – und all die anderen Menschen, ohne die das
Ausrichten einer Schleppjagd gar nicht möglich wäre.
Nach dem Versorgen der
Pferde traf man sich diesmal unten am Parkplatz, wo es Kuchen und
belegte Semmeln, einen wunderbaren Rum mit Tee und vieles andere
gab. Auch hier konnte man noch einmal der festlichen Musik der
beiden Jagdhörnergruppen lauschen. Als Krönung gaben die Chiemgauer
„Jungwölfe“ a capella und glockenklaren Stimmen ein Stück zum
Besten. Gänsehaut pur!, kann man da nur sagen!
Diese Schleppjagd auf der
Harburg gehört bestimmt in den Kalender eines jeden Jagdreiters,
denn keine Jagd auf der Harburg ist wie die letzte! Bitte weiter so,
lieber Robert, und wenn Du eines fernen Tages nicht mehr aufs Pferd
hinaufkommst, wird bestimmt Dein Sohn sehr gerne die Ausrichtung
dieser Jagd als familiäre Tradition übernehmen!
Hoch oben thront sie
mächtig, die beeindruckende Harburg, und blickt wissend nach unten
auf die Erdenbewohner und die Ereignisse des Tages. Und bestimmt
freut sie sich, dass es Menschen gibt, die liebgewonnene Traditionen
bewahren und am Leben erhalten. Und sie freut sich gewiss auch, wenn
sie im kommenden Jahr wieder die vielen Hufeisen spürt, die zu ihr
hochmarschieren, um gemeinsam einen unvergesslichen Jagdtag zu
erleben.
CR
Erste Bilder von Regina