"Keiner muss jetzt seine Lebensgeschichte erzählen, es genügt der Name, woher des Wegs und mit welchem Pferd hier eingetroffen". Robert, seines Zeichens Vizepräsident des Vereins und Mitglied der Equipage startet locker und launig die Vorstellungsrunde. Wie es so seine Art ist, geradlinig und ohne blumiges Drumherum. Kommt bei allen gut an, und jeder beschreibt kurz sein Pferd und worauf es ihm oder ihr schwerpunktmäßig beim Training zu tun ist.
Wir, das sind an die vierzig Reitersleute, männlich, weiblich und jeglichen Alters. Etliche sind schon weiß Gott wie viele Jagden mitgeritten und wollen sich dennoch nicht das Training entgehen lassen, sei es wegen eines neuen Pferds, sei es aus purer Freude am Trainieren. Und diejenigen, die das "Jagdfieber" erst packen wird, fühlen sich ebenso willkommen und zugehörig.
Toni, unser Master und Präsident, wird später eintreffen. Er ist heute mit einigen Mitreitern und der Meute beim festlichen Umzug in Wolnzach mit dabei. Eine feine Sache war's wohl: An die zweihundert historisch gewandete Reiter und über zehntausend jubelnde Zuschauer "
Der Sichtungsritt am heutigen Spätnachmittag steht unter dem Motto: " In breiter Formation über die Stoppelfelder". Klingt einfach, ist es aber nicht, zumal, wenn man um exakte Ausrichtung der Linien bemüht ist. Man ist erstaunt, was ein routinierter Feldführer a'la Robert an Varianten anbieten kann, und das Schönste ist, es fängt an, richtig Spaß zu machen, wenn Kommando und Ausrichtung eine Symbiose finden.
Die nächsten Tage tragen des Masters Handschrift. Er weist uns die Wege, bestimmt Gangart und Tempo über Felder, Wiesen und durch den Wald. A propos Wald, der Boden wie gewachsen. Hier geht's rauf und runter, Schlucht und Steigung bieten sich an, und die Pferde demonstrieren, was Trittsicherheit und Balancegefühl vermögen.
Von weitem sehen wir sie schon: die Sprünge im sogenannten Obstgarten, ein stufenförmiges Hanggelände. Baumstämme in einladender Breite, Wall und Tisch und dann die Bürsten. Nur wer springen will springt, niemand wird dazu angehalten. Es ist jedermanns eigene Entscheidung. Alles ist fair gestaltet, mit gut sichtbaren Absprunghilfen, und dies trifft nicht nur für den Obstgarten zu, sondern für alle Hindernisaufbauten, auch die in den Wiesen oder drüben an einem weiter entfernten Hang. Eine Spezialität Tonis sind die Tripplebarren, die er eigens hat anfertigen lassen, denn sie haben den Vorteil, transportabel zu sein. Nochmals sei betont, dass sich alle Aufbauten naturnahe dem Gelände anpassen und dass alle Sprünge von den Pferden gut taxiert werden können. Also keine Bohnenstangensprünge mit dünnen Querbalken und viel Luft dazwischen und auch nichts mit scharfen Oberkanten.
Die Vormittagsausritte tragen den sportlichen Akzent, eben der Sprünge wegen, an den Spätnachmittagen geht es um die Meute.
Bei allen Ausritten reihen sich die Mitglieder der Equipage so ein, dass die Kursteilnehmer einen von diesen erfahrenen Leuten in ihrer Nähe haben. Jederzeit könnte man Rat und anregende Unterstützung einholen.
Nun ein paar Gedanken zur Meute. Uns allen ist bewusst, dass fundiertes Know how und viel Passion Grundvoraussetzung dafür ist, eine dauerhaft gut jagende Meute präsentieren zu können.
Birgit, hauptsächlich mit der Aufzucht der Hunde betraut, schildert in einer für Theorie vorgesehenen Stunden anschaulich, worauf es besonders ankommt. Leidenschaft allein genügt natürlich nicht, um eine laut und spurtreu jagende Meute aufzubauen. Dazu gehört Zeit und nochmals Zeit, ein Kennel samt geeignetem Trainingsgelände, dazu gehört nicht nur Bereitschaft, die Hunde bei Wind und Wetter zu bewegen, kranke Hunde auch bei Nacht zu pflegen, dazu gehört vor allem ein aus langjähriger Erfahrung in Zucht, Haltung und Ausbildung gewonnenes Wissen.
Mitreitend zu erleben, wie die Hunde ihrem Instinkt folgend mit hellem Geläut auf Jagd gehen und nimmer müde "Passion" zeigen, ist mitreißend und packend. Kontinuierliches Konditionstraining, also viel Bewegung, dazu Gehorsamübungen in mannigfacher Weise sind und bleiben unerlässlich. Uns Kursteilnehmern ist sehr rasch klar, dass ein Leistungsstand wie der "unserer" Meute ausschließlich von dieser vorbereitenden Arbeit abhängt. Chapeau also für Master und Equipage angesichts fortdauernder Arbeit, und zwar das ganze Jahr hindurch.
Nachmittags werden also die Schleppen gelegt. Alles ist abhängig von der Nase der Hunde, d. h. ihrer Fähigkeit, den "Scent" der Schleppe zu wittern und dann im Pack mit dem Wind um die Wette zu sausen. Fürwahr, wenn die Hunde mit hellem Geläut auf der georteten Schleppe in rasendem Tempo unterwegs sind, ist das ein einmaliger Anblick und ein Ohrenschmaus obendrein.
"Toni, wie oft hast Du das schon erlebt?" Bei dreihundertfünfzig Jagden, so sagt er, hat er aufgehört, akribisch mitzuzählen. Über tausend Jagden sind's!
Des Abends sitzen wir gemütlich zusammen in irgendeinem naheliegenden Dorfkrug. Tonis Frau Sissi hat nicht nur die Feldführung bei einer nachmittäglichen Schleppe, sie ist zusammen mit ihrem Toni schlicht und einfach der Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten rund um's Jagdjahr. Die beiden sind wahrhaftig ein kongeniales Team auf ihrem gemeinsamen Weg durch die Zeit. Selbstverständlich ist die Sissi auch hier. Gleich drüben am Nachbartisch sehe ich sie.
Früher Nachmittag: Theorie. Aber nicht grau ist sie, wie man mitunter meinen könnte, sondern sie kann durchaus unterhaltsam und informativ sein. Sabine behandelt das Thema Jagdkleidung der Damen und Herren im Frühjahr und Herbst, dabei auch: Wie binde ich ordentlich ein Plastron (wird demonstriert). Dann, Ablauf einer Jagd, Etikette und Brauchtum. Ich höre ihr gerne zu.
Der letzte gemeinsame Abend steht bevor. Warum ist die Zeit von Sonntag bis Mittwoch nur so schnell vorbeigegangen? Man könnte ins Philosophieren kommen. Der Antworten gäbe es viele. Eine davon, weil kein Leerlauf entstanden ist.
Unser Rolf aus Regensburg hat sein Akkordeon mitgebracht. Noch vor dem Nachmittagsausritt holt er es aus dem Koffer, ein munteres Liedchen und noch eines. Flugs hat der Martin zwei Löffel zur Hand und demonstriert, wie man damit zur Melodie den Rhythmus schlägt. Aber als ein Zwiefacher erklingt, hält ihn nichts mehr, da bittet er seine Sabine zu einem beschwingten Tänzchen. Oh ja, die können's gut.
Abendessen am Kennel. Was ist nur mit dem Wetter los? Regen vertreibt uns rein unter's Dach. Der Laune kann das keinen Abbruch tun, ganz im Gegenteil. Es wird gespielt, gesungen, geschunkelt und getanzt. Robert, gut bei Stimme, trägt ein lustiges Solo vor. Und was der Rolf auf dem Akkordeon kann: A la bonne heure. Den Tango Argentino und den Paso doble hab" ich persönlich selten so gefühlvoll gespielt gehört. Rolf, Du bist in der Tat ein klasse Musiker!
Anderntags komme ich beim Frühstück mit Jörn ins Gespräch. Und das bereue ich keineswegs. Er hat nämlich die Gabe, anschaulich, so dass man geradezu bildhaft mitdenken, respektive mit reiten kann, Begebenheiten und Abläufe zu schildern. Unser Thema: Die unterschiedlichen Jagden, die er vom Sattel aus kennenlernte, die da waren Pöttmes, Schwaiganger, Herrenchiemsee, Harburg und viele mehr. Meine Erkenntnis: Ein gutes Gespräch ist nie verkehrt.
Ich wünsche allen allzeit frohe Jagderlebnisse!